Allein im 20. Jahrhundert (also von 1900 -1962)  war Rüstersiel mindestens von  12 Sturmfluten  betroffen. Man kann davon ausgehen, dass das Wasser bei allen Sturmfluten bis an den Fuß des Deiches herangereicht, ihn aber Gott sei Dank  nicht zerstört hat, sodass die Rüstersieler hinter dem Deich im 20. Jahrhundert wenigstens trockene Füße behielten.

Angesichts eines steigenden Meeresspiegels bleibt trotzdem bei vielen Küstenbewohnern im Elbe-Weser-Dreieck der Respekt vor dem „Blanken Hans“, dessen verheerende Auswirkungen in den zurückliegenden Jahrhunderten den  Küstenverlauf der Nordseeküste immer wieder aufs Neue bestimmt haben.

Auch die Deiche in und um  Rüstersiel waren in der jüngeren Vergangenheit von Sturmfluten betroffen. In einem kleinen Vortrag erinnerte Bernd Coldewey anhand von einigen Fotos und verschiedener Texte an die lokalen  Ereignisse der Sturmflutserie vom Dezember 1954 sowie die der Februar-Sturmflut vom 1962. Die Bilder des gebrochenen Deiches und der hereinströmenden Wassermassen ließen die Not der Rüstersieler erahnen.

Interessant auch die Schilderungen über die Maßnahmen in der Schönen Aussicht, die vor dem Deich mehr hüfthoch unter Wasser stand. Als das Wasser später abgelaufen war, lag durch ausgeschwemmte Spülfelder der Schlamm knöcheltief – was dem Wein aus dem Keller noch jahrelang eine besondere Note gab.

Besonders eindrucksvoll waren jedoch auch die Schilderungen von Walter Iken, der die Sturmflut von 1962 als sechzehnjähriger erlebt hatte. Sein Vater, damals der Inhaber der Bootswerft, konnte sich nicht allein aus dem Gebäude retten. Also sprang Walter Iken trotz Orkan in die eiskalten Fluten, schwamm zu einem Arbeitsboot und kam damit seinem Vater zur Hilfe. Doch damit nicht genug, denn danach wurden bis zum Morgen noch zahlreiche Segel- und Motorboote abgeborgen und im Hafen sturmsicher vertäut.

Für sein selbstloses Verhalten unter Todesgefahr erhielt Walter Iken später vom Niedersächsischen Ministerpräsidenten die Sturmflut-Gedenkmedaille.

Es war ein Vortrag, der nachdenklich stimmte. Werden unser Deiche auch in Jahren und trotz des Klimawandels weiterhin dem „Blanken Hans“ trotzen?  Die Diskussionen zogen sich nach den Vorträgen noch lange hin.