Das haben wir noch nicht erlebt! Unser Vereinshaus war total überfüllt! Und nicht nur der Parkplatz, sondern auch der Gemeinschaftsplatz war voller Autos!

Der Grund war, dass Bernd Coldewey, der sich detailliert mit der „Nordwestdeutscher Fahrzeugbau GmbH“ befasst hat, einen spannenden Einblick in diesen zeitgeschichtlichen Teil der Wilhelmshavener Geschichte gab. Viele Zuhörer, die damals bei der NWF gearbeitet hatten, waren als Zeitzeugen gekommen, um sich der damaligen Zeit zu erinnern.

Bernd Coldewey hatte seinen Vortrag in drei Phasen gegliedert:

  • Die Gründungsphase des Nordwestdeutschen Fahrzeugbaus – zeitgeschichtliche und politische Rahmenbedingungen
  • Der Aufstieg der NWF zu Deutschlands zweitgrößtem Fahrzeughersteller
  • „Da muss doch einer dran gedreht haben“ – der unerwartete Konkurs von Wilhelmshavens größtem Arbeitgeber

Die Nordwestdeutscher Fahrzeugbau GmbH  war ab 1946 ein Karosseriebauunternehmen, Nutzfahrzeughersteller und Automobilhersteller. Das Unternehmen auf dem Gelände des ehemaligen Marine-Artilleriedepots galt als hoffnungsvoller Bestandteil einer Neuausrichtung der Wilhelmshavener Wirtschaftsstruktur nach dem 2. Weltkrieg (Stichwort: „Friedensindustrie“) und produzierte zunächst sehr erfolgreich einfache Transportfahrzeuge wie Handwagen, Schiebkarren, Sackkarren und Anhänger für die Landwirtschaft. Gegründet wurde es 1946 von 6 Männern, darunter Werner Bach, später Teilhaber und Technischer Direktor des Unternehmens.

Im Weiteren ging Bernd Coldewey auf die Arbeitsmarktsituation in der unmittelbaren Nachkriegszeit in Wilhelmshaven ein. So hatte die Marinewerft Anfang 1945 noch ca. 31.000 Beschäftigte, zur Zeit der NWF-Gründung war der Bestand auf ca. 3000 abgeschmolzen. Somit standen der neuen Firma genügend Metallfacharbeiter zur Verfügung, die allerdings erst lernen mussten, statt 4 cm Panzerschiff-Stahl jetzt dünne Bleche zu bearbeiten. Allerdings wurden zu Beginn vornehmlich Handwagen und Schiebkarren gefertigt, bei denen  u. a. die Laufräder von Kriegs-Kettenfahrzeugen umgenutzt wurden.

1948 blieben die benötigten Eisen-Zuteilungen aus. Auf Initiative von Werner Bach ergab sich die Möglichkeit,von den FORD-Werken in Köln Aufträge zu bekommen. Und so begann man ab 1948  unter zunächst schwierigen Umständen mit der Karossierung von Omnibussen und unterschiedlichen Spezialfahrzeugen. Der NWF entwickelte sich dadurch innerhalb weniger Jahre zu Deutschlands zweitgrößtem Karosseriewerk – und Wilhelmshaven rühmte sich, die „neue Industriestadt des Nordens“ zu sein.

Nach Ideen des Flugzeugbauers Henrich Focke, die vom NWF- Konstrukteur Ulrich Kaiser umgesetzt wurden, erfolgte mit dem FORD-NWF-Schnellbus, der wegen seiner Form und Konstruktion auch „Zeppelin der Landstraße“ genannt wurde, 1951 der Durchbruch im Omnibusbau mit selbsttragender Karosserie (SETRA).

Zahlreiche Busse unterschiedlicher Bauart wurden im Wilhelmshavener Industriegelände-West produziert, darunter auch das legendäre Zwei-Wege-Fahrzeug, der SCHI-STRA-BUS, der sowohl auf der Schiene als auch auf der Straße fahren konnte. Aber auch das Fulda-Mobil wurde für kurze Zeit beim NWF in Lizenz gefertigt, bis im November 1955 Wilhelmshavens größter Arbeitgeber völlig unerwartet Konkurs anmelden musste und 1500 Menschen ihren Arbeitsplatz verloren.

Der Vortrag begeisterte, Bernd Coldewey erhielt viel Zustimmung und Applaus. Von den Zuhörern wurde er ermutigt, sein Buch über den NWF fertigzustellen und möglichst bald zu veröffentlichen. Wir drücken Bernd die Daumen und freuen uns auf seinen nächsten Vortrag im Herbst.

Die WZ brachte über den Vortrag am 09.02.2017 folgenden Bericht: